
ARCHÄOLOGIE NORDSEE
Rungholt, das Atlantis der Nordsee
Nach mehr als 100 Jahren Forschung ist nun endlich gelungen, genau zu verorten, wo sich die sagenumwobene Rungholt-Siedlung befand: Forscher, unter anderem von der Universität Kiel konnten das Fundament der Rungholter Kirche im Wattenmeer lokalisieren.
Um kaum einen Ort ranken sich so viele Sagen und Legenden wie um Rungholt, eine Siedlung an der Westküste des heutigen Schleswig-Holsteins. Eine gewaltige Sturmflut soll die Siedlung vernichtet haben: Bei der Zweiten Marcellusflut, die am 15. bis 17. Januar 1362 in mehreren Flutwellen auf die unzureichend gesicherte Küste zurollte, wurden weite Teile der nordfriesischen Uthlande massiv überspült. Viele Menschen ertranken in den Fluten, auch die heute sagenumwobene Siedlung Rungholt ging unwiederbringlich verloren. Schuld waren nicht nur die zu niedrigen Deiche, sondern auch das ausgetrocknete Hinterland, das sich immer weiter abgesenkt hatte. So konnten die Bewohner zwar ihren lukrativen Salztorfabbau betreiben, aber das beim Deichbruch eindringende Wasser überschwemmte das Land etliche Meter hoch und floss nicht wieder ab.
Der Legende nach sei Rungholt, der Handelshafen der einstigen Insel Strand, reich und prunkvoll gewesen, die Menschen dort hätten ein lasterhaftes Leben geführt und sich über ihren Pfarrer gestellt – die große Flut, bei der seine Bewohner und Bewohnerinnen den Tod fanden, sei eine Strafe Gottes gewesen, und bei ruhiger See könne man immer noch die Glocken von Rungholts Kirche läuten hören.
Nun haben Forschende eines Gemeinschaftsprojekts der Universitäten Kiel und Mainz, des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) sowie des Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein bei geophysikalischen Untersuchungen im Wattenmeer diese Kirche gefunden! Mithilfe von Magnetometern führten die Wissenschaftler Kartierungen auf einem Areal von insgesamt zehn Quadratkilometern durch und zeichneten Strukturen unter der Oberfläche des Watts auf. Zu Tage kamen insgesamt 54 Warften aus dem Mittelalter, von den einstigen Bewohnern aufgeschüttete, mehrere Meter hohe Hügel, die bei Sturmfluten Gebäuden, Mensch und Tier Schutz bieten sollten.
Auf einer dieser mittelalterlichen Warften erkannten die Wissenschaftler eindeutig den Grundriss einer Kirche – das 15 mal 40 Meter messende Fundament des Gotteshauses wird nun durch Bohrungen und Grabungen gezielt weiter untersucht, wenn auch durch die Gezeiten erschwert: Nur bei Ebbe ist es den Forschern möglich zu arbeiten, ihre Grabungen müssen sie mit Spuntwänden sichern. Aber die sechsjährige Vorarbeit des Forscherteams hat sich gelohnt.
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