Die elegante MS Diana liegt in Söderköping am Steg. Eine schwimmende Legende mit ihren 92 Lenzen – vielfach bewundert und fotografiert. An Land auf keinen Fall verpassen: das berühmte Eiscafé Smultronstället!

 

Göta Kanal: Von Stockholm nach Göteborg

Mit der MS Diana auf dem Göta Kanal

Sechs Tage auf einem historischen Passagierschiff quer durch Schweden tuckern, das hat schon was. Ein echtes Erlebnis nicht nur für Schiffsliebhaber. Trotz Anlesen und TV-Doku’s schauen bin nicht nur ich total überbewältigt als es heißt Leinen Los! auf der MS Diana. Kommen Sie mit auf eine wunderschöne Reise durch märchenhafte Landschaften auf dem über 200 Jahre alten Göta Kanal, gespickt mit viel Genuss, Freude, Gemächlichkeit, entspanntem Bordleben, netten Menschen, blökenden Schafen und einem kleinen Zwischenfall –­ ein bisschen Abenteuer gehört schließlich auch dazu! Text und Fotos: Sabine Griem

Meine Anreise erfolgt einen Tag vorher. In Stockholm ist es sehr warm und die Stadt knallvoll von Touristen. Mein Hotel liegt in Norrmalm und ich übe trotz der Hitze den Weg zum Schiff: Bus oder U-Bahn ist die Frage? Die Entscheidung für Letzteres erweist sich als Fehlgriff: Dreimal laufe ich an dem zierlichen Schild mit dem blauen T auf weißem Grund vorbei und halte es – wie viele andere Touristen auch – für einen Hauseingang. Endlich gefunden, steige ich an der Station Slussen aus. Von dort geht der Weg zwar bergab, aber bis zur Anlegestelle der Diana ist es noch weit (ca. ein Kilometer) mit meiner unhandlichen und sehr schweren Rollkoffertasche. Zurück wähle ich die Bus-Linie 57 von Slotsbacken bis zur Station Hörtoget. Punktlandung: sie ist zwei Minuten vom Hotel entfernt und wird mich und mein schweres Gepäck am nächsten Morgen exakt zwanzig Meter von der Diana entfernt an der Station Slotsbacken absetzen.

Meine Kabine auf dem Brückendeck. Klein, aber oho und gut durchdacht: altmodisch charmant und es gibt zur Begrüßung ein Fläschchen Champagner sowie leckere Erdbeeren und Pralinen. Die Koje ist gemütlich und es schläft sich dort sehr gut.
Es geht an Bord

Die alte Lady glitzert in der Morgensonne, mein Gepäck geht an Bord und ich bummele noch ein wenig durch die Altstadt Gamla Stan. Die Spannung steigt und um 9:30 Uhr steht die Crew an der Gangway bereit zur Begrüßung der Passagiere. Amanda ist unsere Reisebegleitung während der gesamten Fahrt. Die herzliche Schweizerin, die vor über 20 Jahren in Schweden vor Anker ging, spricht deutsch, schwiezerdütsch, englisch, schwedisch und ist immer vergnügt, auch wenn es mal knifflig wird. Sie wird ihre Sache hervorragend machen, so viel schon vorweg.

Um 10 Uhr werden wir ablegen und beziehen unsere Kabinen. Meine liegt auf dem Brückendeck an der Steuerbordseite: Auf dem Nachttisch/Waschtisch stehen ein Fläschchen Champagner sowie eine Schale mit Pralinen und herrlichen Erdbeeren. Auf der Koje liegt auch ein schneeweißer Bademantel, hätte also keinen mitbringen müssen…Ruck, zuck Koffer ausgepackt und alles auf dem oberen Stockbett ordentlich verteilt und unter der Koje sowie in den Schränkchen verstaut sieht meine Kabine recht manierlich aus (und danach öfters recht chaotisch).

Es gibt drei Decks: Das Hauptdeck liegt im Bauch der schönen Seniorin. In den 14 Bullaugen-Kabinen stehen die Betten nebeneinander. Dort kann es bei hochsommerlichen Temperaturen recht warm werden, aber es gibt vier geräumige WC’s und zwei großzügig bemessene Duschen, wo man nicht den Unbilden des Wetters ausgeliefert ist.

Auf dem Shelter Deck sind der Speisesalon mit Niedergang zum Hauptdeck und am Heck sechs Kabinen sowie ein WC.

Auf dem Brückendeck gibt es neun Kabinen und zwei WC’s jeweils mit Duschen.

Die beiden oberen Decks haben Stockbett-Kabinen und wie sich herausstellt, müssen viele „bessere Hälften” oben schlafen... Mein Mann hat es an der Hüfte, der kommt da oben nicht rauf, so der Kommentar von einigen Ehefrauen.

Der vordere Teil vom wunderschönen Drottningholm ist als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. Im hinteren Teil wohnt das schwedische Königspaar. Und in der Tat hat das Schloss sehr viele Fenster, was unter den Passagieren auf der Diana zu einer ausgiebigen Diskussion führt. Stichwort: Fensterputzen!
So, jetzt aber! Diana sticht in See

Bei phantastischem Wetter und einem Begrüßungsschluck auf dem Sonnendeck, gleitet unsere schöne Diana langsam durch Stockholm. Eine leichte Brise weht und wir genießen ein erstes Beisammensein. Wunderbar! Unglaublich! Amazing! Stunning! hört man unisono.

Unsere Diana ist ein elegantes und formschönes Schiff, mit viel Holz und Messing. Gediegen altmodisch und seit 1931 in Fahrt. Die rüstige Dame ist schlank und gut in Schuss für ihr Alter. Fein ausbalanciert liegt sie gut in der See und schaukelt sich auch bei Seegang nicht auf. Spannend wird es auf dem Göta Kanal werden: Bei einem Tiefgang von 2,80 ­– der Kanal hat gerade mal 3,00 Meter und 20 Zentimeter sind nicht eben viel Platz... Mit ihren 92 Jahren ist sie das Küken der kleinen Flotte. Die beiden Schwesterschiffe sind echte Uhu’s (über hundert) und wir werden sowohl die Juno (1874) als auch die Wilhelm Tham (1912) noch treffen.

Zu den Sicherheitseinweisungen werden wir in Sektionen in den Salon bestellt: Sie sind einfach, klar und erfrischend kurz. Auf einem großen Kreuzfahrer gehen da durchaus ein bis zwei Stunden drauf.

Schloss Drottningholm hat zu viele Fenster!

Weiter geht es vorbei an einem modernen Stockholm mit kleinen Stadtstränden zur ersten Schleuse Hammarby und dann auf den Mälarsee. Kapitän Christoffer zweigt einmal kurz ab zum Schloss Drottningholm. Dort wohnt in einem hinteren Flügel das schwedische Königspaar. Die Flagge ist aufgezogen, also sind Carl Gustav und Silvia zugegen – allerdings hat sie noch nie jemand zu Gesicht bekommen. Kein Wunder, der uns zugewandte Teil des wunderschönen Schlosses ist ein öffentliches Museum mit einem dazugehörigen Park. Vom Brückendeck gibt es viele Komplimente aber auch Kommentare ob man denn in so einem Schloss leben möchte. Viel zu groß und wer putzt denn die vielen Fenster, fragt sich eine Frau hinter mir. Du, natürlich! kommt es vom Ehemann. Die Diskussion geht angeregt weiter, wobei das Zählen der Fenster sowie die Frage ihrer Reinigung weiter hartnäckig im Vordergrund steht.

Ganz nah an Drottningholm kommt es dann zu einer Entscheidung: ein Großteil von uns wäre mit einem oder einem halben Flügel von Drottningholm zufrieden einem kleineren Teil wäre auch das nahegelegene Bootshaus recht.Carl Gustav und Silvia können beruhigt durchatmen, ihnen wird keiner von uns so schnell auf die Pelle rücken: Viele große Fenster schrecken ab und das Bootshaus ist eh nicht bewohnbar

Der Blick in den Salon. Die Tische sind immer sehr liebevoll gedeckt und wir werden in den sechs Tagen nach Leibeskräften verwöhnt. Am Mittag gibt es zwei, am Abend drei Gänge. Und am Nachmittag gibt es immer Fika (Kaffee) mit frisch gebackenem Kuchen, bei schönem Wetter auf dem Brückendeck.
Die MS Diana bittet zu Tisch

Der Gong ertönt: Es ist Zeit für das erste Mittagessen und wir suchen unsere Tischkärtchen. Sowohl für das Mittag- als auch das Abendessen gibt es eine feste Sitzordnung. Zum Frühstücksbüffet hat man freie Platzwahl.

Wir fünfbeschnuppern uns und bestaunen den liebevoll gedeckten Tisch: Kunstvoll gefaltete Leinenservietten, frische Blumen, das weiße Porzellan mit einem dezenten blauen Muster und hübsche Gläser. In der Mitte die dreisprachige Menükarte, die auf der Rückseite immer ein anderes historisches Motiv des Göta Kanals zeigt: Als ersten Gang gibt es warm geräucherten Lachs mit cremigem Kartoffelsalat und knackigem Frühgemüse. Im Anschluss ein köstliches Dessert:Schwedischer Sommertraum. Erdbeeren mit Eis, Schlagrahm und Lemon Curd. Das Verwöhn-Aroma hat begonnen!

Wir verstehen uns von Anfang an hervorragend. Amanda hat auch bei der Sitzordnung ein goldenes Händchen bewiesen: Im hinteren Teil des Salons sitzen die deutschsprachigen im vorderen Teil die schwedisch und englisch sprechenden Gäste. Ja, und wo die alle herkommen: Neuseeland, Australien, Kalifornien, New York, England, Österreich, Schweiz, Deutschland, Dänemark und natürlich Schweden.

Neben mir sitzt Almut aus Dithmarschen: Immer fröhlich und gut gelaunt ist sie an unserem Tisch die Expertin für Schweden im Allgemeinen und die MS Diana im Besonderen. Erkennen werden wir sie fortan auch an ihrem Stickzeug: Der Teddy für den Enkel nimmt während der sechs Tage langsam Formen an und wo ihr Stickzeug liegt, ist auch Almut nicht weit. Zu meiner linken sitzt die hübsche Karin aus der Nähe von Graz und gegenüber Roswitha und Franz – das charmante Künstlerehepaar ebenfalls aus der Nähe von Graz. Diese Reiseform ist ideal für Alleinreisende so viel steht fest. Jeder kann sich integrieren. Alles kann, nichts muss.

Es quietscht und rattert!

Der Speiseaufzug wird noch von Hand gekurbelt und das Quietschen und Rattern wird für uns die Erkennungsmelodie, dass Flora und Dante mit dem Servieren beginnen: zwei Gänge mittags, drei Gänge abends mit jeweils einem Kaffee zum Abschluss. Was die beiden jungen Servicekräfte in ihrer schicken blauen Uniform von der Kombüse in den Speisesalon kurbeln und formvollendet servieren, ist äußerst delikat. Und was die Smutjes Eva und Jacob in der relativ kleinen Kombüse zaubern, wird uns in den folgenden sechs Tagen über die Maßen verwöhnen. Und zum Nachmittagskaffee auf dem Brückendeck gibt es immer frisch gebackenen Kuchen.

Nach der wunderschönen Reise mit so vielen kulinarischen Glanzlichtern fühle ich mich am Ende wie aus dem Nest gestoßen. Das Essen auf der Stena Germanica (Göteborg/Kiel) ist in Ordnung, aber ich vermisse unseren netten Fünfertisch, das entspannte Bordleben, das sanfte Schaukeln, den herrlich altmodischen Speisesalon und das verblichene Hochzeitsbild von Carl Gustav und seiner Silvia, die glücklich von der Anrichte lächeln.

Der kleine Ort Trosa ist ein ganz besonderes Juwel. Die hübschen Häuser meist in zartgelb und mit weißen Sprossenfenstern. Mit einem kleinen Marktplatz, netten Geschäften und idyllischen Cafés – da kann man sich verbummeln und verlieren – wunderschön.
Delfine, Trosa und ein Wiedersehen

Wir befinden uns auf der Ostsee und laufen in guter Fahrt Richtung Trosa – unserem ersten Stopp. Plötzlich Aufregung an Bord, auch die Mannschaft läuft ans Heck. Ja, das sind tatsächlich Delfine, die da im Achterwasser der Diana vergnügt umher schwimmen und uns eine Weile eskortieren werden.

Vor Trosa steigt besonders für Bengt die Spannung. Der gebürtige Stockholmer der vor Jahrzehnten seine schwedische Heimat gegen England und dann New York eingetauscht hat, wird seine Tochter treffen und ist sehr aufgeregt. Und da steht sie am Kai mit wehenden blonden Haaren und winkt. Ein Wiedersehen, was nicht nur Vater und Tochter berührt.

So viele Eindrücke, so tolles Wetter, Delfine und nun geht’s an Land. Das verträumte Städtchen wird vielen von uns in ganz besonderer Erinnerung bleiben. Man spaziert an einem Kanal entlang, wo beidseits viele schmucke Häuschen stehen: meist zartgelb mit weißen Sprossenfenstern, die Gärten gepflegt und mit weißen Holzzäunen. Ein idyllischer Marktplatz mit netten kleinen Geschäften, Cafés und Restaurants. Mit diesen Bildern bummle ich langsam zurück zum Schiff und treffe auf das englische Paar (er ist Schotte) das ebenfalls auf der Diana reist. Sie leben sehr kommod in direkter Nachbarschaft zum Schloss Windsor. Die königlichen Nachbarn kennen uns aber nicht, so ihre Meinung. Da wäre ich mir nicht so sicher, meine Antwort.

Sie empfehlen noch einen kurzen Abstecher zum Oldtimertreffen was wenig entfernt gerade begonnen hat. Und es ist eine Schau, was sich da auf der Wiese angesammelt hat. Groß und Klein bestaunen alte Volvos, Mercedes-Cabrios, Jaguars und tolle andere blecherne Exoten. Man muss wissen: Die Schweden lieben Oldtimer und davon ganz besonders die alten Amischlitten aus den 50/60er Jahren. Hauptattraktionen sind deshalb auch die Straßenkreuzer mit viel blitzendem Chrom, den typischen Heckflossen und in leuchtenden Farben wie Türkis, Feuerrot und Mintgrün. Ein Cadillac Sedan DeVille in Bonbonrosa bullert langsam mit seiner V-8 Maschine auf den Platz. Drinnen vier begeisterte Petrolheads, die ihr tonnenschweres US-Schätzchen lieben, wie einst Elvis Presley. Er fuhr mindestens sechs davon. Trosa ist voll Rock’n Roll und Elvis lebt!

Der Innenhof der Burgruine Stegeborg beziehungsweise die Reste die davon übrig geblieben sind. Hier fällt es leicht, sich vorzustellen, dass Gustav Vasa und seine Nachfahren die Schwarte krachen ließen, wenn es ans Feiern ging. Teilweise mit bis zu 400 Gästen.
Burgruine Stegeborg und ein Rätsel

Nun heißt es Auf Wiedersehen Trosa und weiter geht es Richtung Stegeborg zu unserem nächsten Ziel. Man spürt die Ostsee, aber durch den Schärengarten geschützt ist es relativ ruhig. Die Tage gehen auf Mitsommer und um Mitternacht ist es dämmrig, aber nicht wirklich dunkel. So sitzen wir an Deck unserer romantisch beleuchteten Diana und genießen fasziniert die kleine Schärenwelt. Man wird nicht müde zu schauen und auch die Tierwelt ist bis spät in die Nacht rege.Wir erreichen Stegeborg erst spät und viele können erst schlafen, nachdem wir angelegt haben.

Am Morgen werden wir nach dem Frühstück die Burgruine Stegeborg besichtigen die nur einen Steinwurf entfernt liegt.Almut war schon vor dem Frühstück baden. Das Wasser war recht kalt aber schön erfrischend, erfahren wir bei Rührei und Müsli.

Wir gehen mit Amanda hinauf zur Burgruine und lauschen ihrer Erzählung. Die alte Wikinger Festung mit dem markanten Turm (26,5 m hoch) und ihrer Ringmauer liegt an einer kleinen Meerenge in der Slätbaken Bucht. In grauer Vorzeit als Schutz für die Handelsstadt Söderköping errichtet, wurde sie im Mittelalter (ca. 1590) von König Gustav Vasa übernommen und war in der Hauptsache beliebt als Sommerresidenz. Was man durchaus nachvollziehen kann: Der Panoramablick von der Ruine präsentiert eine weite Sicht auf eine wunderschöne Landschaft. Und wir sehen auch die kleine gelbe staatliche Seilfähre „Elvira” die zwischen Norrkrog und Stegeborg pendelt. Sie transportiert alles was Beine und Reifen hat kostenlos; an Seilen läuft sie wegen der starken Strömungen.

Zurück zur Historie. Mal abgesehen von einigen Raufereien und Besitzerwechseln, diente die Burg oft rauschenden Festen. König Johann III (ältester Sohn von Gustav Vasa) ließ sie so ausbauen, wie man sie in etwa heute noch vorfindet. Er war ein Ästhet, der gerne speiste und feierte. Da gab es Feste mit bis zu 400 Gästen!

Johanns Tochter, die Prinzessin Anna hatte ebenfalls ein Faible für krachende Feiern aber auch für Heilpflanzen und Kräuter. Sie ließ einen schönen Garten anlegen, den Amanda uns zeigen wird. Ein Rätsel wird es geben und der Gewinner bekommt einen Preis.Zwischen all den Sträuchern, Blumen und Beeren, zupft sie einige Blättchen von einem unscheinbaren Busch. Wir riechen und schmecken. Kommt mir bekannt vor und Kerbel ist die richtige Antwort. Nein, nur halbrichtig: Es handelt sich schließlich um den Spanischen Kerbel. Den bekam die Prinzessin einst geschenkt oder brachte ihn mit von einer Reise. Egal wie, sie ließ das leckere und viel zu wenig beachtete Kraut jedenfalls anbauen. Und so wächst auf Stegeborg seit Jahrhunderten der Spanische Kerbel und ich bekomme als Preis ein Göta Kanal Quiz! Wunderbar, danke!

Und es gibt noch eine Pflanze auf die mich ein Mitreisender aufmerksam macht: das Schöllkraut. Es wächst wild entlang der Burgmauer und soll bei Hautkrankheiten helfen.

Die Schleusenarbeit ist ein beliebter Ferienjob bei Studenten. Gut erkennbar an den gelben T-Shirts, den dunkelblauen Hosen und den Rettungswesten, die wie ein Schal um den Hals gehängt werden. Im Vordergrund Bootsmann Jakob von der Besatzung der Diana. Auch er trägt die dunkelblaue „Rettungsboa”.
Von jetzt an geht’s bergauf

Wir arbeiten uns langsam zum Göta Kanal vor der für uns mit der ersten Schleuse in Mem beginnt. Diana’s Mannschaft ist bereit und die Schleusenwärter ebenfalls. Schaulustige an Land haben es sich gemütlich gemacht und verfolgen das Spektakel im Halbschatten. Die Schleusenwärter sind zumeist junge Studenten (ein beliebter Ferienjob) und gut erkennbar an den dunkelblauen Hosen und gelben T-Shirts. Sie tragen wie die Besatzung dunkelblaue Rettungswesten, die bequem wie ein Schal umgehängt werden und viel Bewegungsfreiheit geben.Die Studenten machen ihre Arbeit hervorragend; aufmerksam und sehr gewissenhaft.

Unsere Seniorin ist gertenschlank und trotzdem ist das Schleusen Zentimeterarbeit und erfordert viel Konzentration. Langsam fährt sie ein, es knackt hier und da. Das Schleusen wird auf unserer Reise immer an der Backbordseite erfolgen sowie auch in den meisten Fällen das Ausbringen der Gangway für die Landgänge.Unsere nette Lady-Captain Annette mit dem blonden Wuschelkopf gibt von der Brücke Handzeichen und Kommandos. Die Walkie Talkies knattern, Bootsmann Jakob an Land hat den Hecktampen über den Poller gelegt und läuft nun an den Bug, um Annette zu zeigen, wie viel Platz noch bis zum vorderen Schleusentor frei ist. Erst wenn unsere Diana sauber eingeparkt und vertäut ist, heißt es Maschine stopp und die junge Schleusenwärterin übernimmt. Das hintere Schleusentor schließt sich langsam und erst dann drückt sie den Knopf zum Fluten. Das Fahren aus der Schleuse geht in umgekehrter Weise. Jakob macht die Tampen los und die junge Schleusenwärterin macht sich im Auto auf den Weg zum nächsten Lock je nach dem wie viele Schleusen zu betreuen sind.

Söderköping und ein Malheur

Unser nächster Halt wird Söderköping (sprich Södaschöping) sein mit Landgang. Es ist Zeit fürs Mittagessen und Almut plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen: Ja, sie ist schon mal mit der MS Diana gereist, es muss so um 2017 gewesen sein im Juli. Sie kam aus Richtung Göteborg und dann ist es passiert... Es gab zu wenig Wasser auf den großen Seen, dem Vettern und dem Vänern. In dem knochentrockenen Jahr hatte sich unsere schöne Diana im Kanalschlick festgefahren. Mit vollem Einsatz von Besatzung und Passagieren ruckelte sie sich zwar wieder frei, aber die Reise wurde abgebrochen. Kaum eine Handbreit Wasser unter dem Kiel reicht eben nicht für den Göta Kanal. Wo es genau passiert ist, löchern wir Almut. Sie bleibt vage, aber es muss nicht weit von unserem jetzigen Standort passiert sein... Nur eines ist sicher: sie hat diese Reise mit sehr viel Bedacht in den Monat Juni gelegt, von wegen mehr als eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und so... (Nach der Reise fällt es ihr wieder ein: Irgendwo zwischen dem See Asplången und den Duvkullen-Mariehov-Carlsborg Schleusen hatte sich Diana festgefahren.)

In Söderköping liegt unser Oldie repräsentabel an der Pier und wird bestaunt und fotografiert (wie eigentlich immer auf der Fahrt). Es ist heiß, geradezu schwül und wir schwärmen aus um die kleine Stadt zu besichtigen. Amanda hat uns das beste Eiscafé Smultronstället ans Herz gelegt. Smultronstället heißt übersetzt Lieblingsstelle. Die kann zum Beispiel dort liegen wo die leckeren Walderdbeeren wachsen und das erzählt man natürlich nur den besten Freunden. Unentschlossen und von Hitze umnebelt suche ich einen Supermarkt auf. Zum ersten ist es dort schön kühl und zum zweiten finde ich vielleicht endlich mal einen kleinen Troll. So einen wie ich ihn als Kind hatte: Aus Gummi, braungebrannt mit großen Ohren einem frechen Grinsen und Curacao blauen langen Haaren. Der erste Supermarkt entpuppt sich als ein großes Geschäft mit vielen Flaschen – ein Alkoholladen. Der zweite Anlauf führt mich an den Stadtrand in einen großen Supermarkt. Dort gibt es ein reichhaltiges Angebot, auch für Schnickschnack. Aber einen Troll finde ich nicht, nicht mal als Aufdruck auf einer Tasse. So schlendere ich zurück in Richtung Diana. Am Hafen gibt es einen Schnäppchenmarkt wo es von Andenken nur so wimmelt. Es gibt viele Tiere, aber trollmäßig ist wieder nichts drin und so kaufe ich mir einen schicken Strohhut.

Zurück an Bord gibt es Kaffee, leckeren Kuchen und wir steuern die Duvkullen-Mariehov-Carlsborg-Schleusen an. Es sind acht Stück und wir könnten uns nochmals die Beine vertreten. Darauf verzichten die meisten und so tuckern wir gemächlich dahin.

Wann genau und warum es passiert, wissen wir nicht so genau. Möglicherweise ist es zu heiß, möglicherweise war Almut nicht an Bord oder vielleicht ist es einfach die Erinnerung unserer 92jährigen Seebärin an den Schreckmoment im Juli 2017, wo sie manövrierunfähig im Schlick steckte. Jedenfalls fährt ihr ein Ärger ins Gedärm und sie reagiert mit Verstopfung sprich alle Toiletten sind nicht mehr benutzbar. Amanda gibt ständig Durchsagen, dass die Besatzung mit Hochdruck an dem Problem arbeite, aber nach und nach kristallisiert sich heraus dass eine Reparatur nicht möglich ist – Diana braucht wohl eine neue Pumpe!

Nur noch zwei Kilometer bis zur nächsten Toilette

Wir reagieren gelassen. An der nächsten Schleuse wird es eine Trockentoilette geben und an der darauffolgenden eine normale mit Wasserspülung. Es steigen nur zwei aus und wir werden uns auf den nächsten beiden Kilometern fragen, warum wir in drei Gottesnamen nicht auch dort ausgestiegen sind, um das „trockene Örtchen” zu besuchen.

Bei Schleichfahrt kriechen wir Meter für Meter dahin und die Schlange der „Müsser“ an der zweiten Schleusenwärtertoilette mit Wasserspülung ist entsprechend lang. Den Männern empfiehlt sich der Gang in die Büsche, wir Frauen stehen an. Für die kleine Schleusenwärtertoilette ist es ein ganz besonderer Tag mit ausgesprochen viel Besuch und zurück an Bord werden wir bis Norsholm nur noch wenig trinken. Denn erst dort werden wir einen Nothalt einlegen über Nacht und dürfen die vielen Toiletten und Duschen der Marina benutzen! Ja, und bis dahin sind es noch über zehn Kilometer...

Da liegt sie unsere Diana – im späten Abendlicht und festlich illuminiert. Dass sie sich gerade einer „Darmoperation” unterziehen muss ist ihr nicht anzumerken. Wir genießen den schönen Abend und dürfen den Nassbereich der Marina benutzen. Was es sonst noch gab: Mückenalarm!
DerNothalt in Norsholm

n Norsholm angelegt geht eine Woge der Erleichterung durch Passagiere und Besatzung. Alles spaziert an Land und nutzt den großzügigen Nassbereich. Nach etlichen Stunden ohne „Örtchen” erscheint uns die Marina wie eine Wellness-Oase.Nur unsere Diana leidet still vor sich hin. Der Mechaniker aus Stockholm trifft nach dem Abendessen ein und die neue Pumpe aus Vässbacken (218 km entfernt) nach Mitternacht. Für die Besatzung wird es eine lange fast schlaflose Nacht, bis um 4:30 Uhr ein tiefes Rülpsen und Poltern durch den Schiffsbauch dröhnt: Die neue Pumpe funktioniert und unsere Diana ist wieder flott. Aber weil es so schön ist, benutzen wir weiterhin bis zum Ablegen den exklusiven Nassbereich an Land.

Wir sind etwas in Verzug und die nächste Verspätung ist schon in Sicht: Es ist die Eisenbahnbrücke in Norsholm und die öffnet sich einfach nicht. An dem Eisenbahnstück wird gearbeitet und es wurde vor Tagen der Strom abgeschaltet und nun weiß keiner, wo er kurzfristig wieder angeschaltet wird... Es war alles von Seiten der Reederei abgesprochen, genau terminiert und nun das! Bengts trockener Kommentar: Die Eisenbahn ist in chinesischer Hand, was kann man da schon erwarten.Die Bahnarbeiter nutzen die Zwangspause für ein kleines Nickerchen auf dem Rasen oder fotografieren sich mit der Diana im Hintergrund. Alles hat sein Gutes.

Irgendwann in den gefühlten Minuten, Stunden wird der Stromknopf dann endlich gefunden, die Brücke öffnet sich und wir laufen auf dem See Roxen mit gutem Tempo zur Schleuse in Berg.

Die Treppenschleuse in Berg eröffnet ganz neue Perspektiven: Auf den sieben Stufen ist Diana mal auf Augenhöhe und zuweilen auch von oben zu betrachten. Die Attraktion so einen historischen Dampfer mal ganz aus der Nähe zu betrachten, lockt viele Schaulustige an – auch bei 30 Grad im Schatten.
Die berühmte Treppenschleuse in Berg

Die Treppenschleuse ist die Attraktion des Göta Kanals und der Besuchermagnet schlechthin mit ihren steilen sieben Stufen. An der unteren ersten Schleuse steigen wir aus, um später an der obersten Stufe wieder einzusteigen. Es ist um die Mittagszeit, hochsommerliches Wetter. Viele Schaulustige an der Schleuse, faules Strandleben. Die müde Besatzung hat alle Hände voll zu tun in der prallen Sonne.

Der See Roxen ist lauwarm. Almut geht baden, ich passe derweil auf ihre Sachen auf. Dieses Mal ist ihr das Wasser zu warm und zu trüb – da muss ich ihr beipflichten.

Das Schleusen an diesem idyllischen Berg dauert seine Zeit und eröffnet auch uns Passagieren ganz neue Perspektiven: Die Diana von oben oder auf Augenhöhe mit der eigenen Kabine.Wir spazieren ein wenig den Rasen hinauf bis zur obersten Schleuse. Berg ist ein malerisches Örtchen mit gepflegten Häuschen links und rechts.

Heringe, Hochprozentiges und Gesang

Nach dem Einsteigen ist es Zeit zum Mittagessen. Und wie immer samstags gibt es Heringe, Schnaps und Schnapslieder auf der Diana. Der Schwedische Hering ist sehr lecker und im Anschluss wird ein Lütter gekippt der Hering muss schließlich schwimmen. Also, „Nich‘ lange schnacken, Kopp in Nacken!” Und dann singt unser kleiner Diana-Chor ein hübsches Schnapslied. Wir verstehen kein Wort, aber die Melodie ist nett und es hört sich gut an. Das Schnapsliedschreiben genießt eine ebenso große Tradition bei den Nachfahren von Gustav Vasa wie das Verköstigen von Hochprozentigem.

Weiter geht es im gemächlichem Tempo auf dem schmalen Kanal und es kommt nun zu einem kuriosen Spektakel: Also, der Göta Kanal, den etwa 58.000 Soldaten und viele Arbeiter mit jeder Menge Schweiß und Mühen erschaffen haben, der gehört der finnischen Reederei im Besitz der Familie von Rettig (Göta Kanal Rederiaktiebolaget). Die jeweils links und rechts des Kanals liegenden zehn Meter Land gehören dem schwedischen Staat.

Freie Mitarbeiter und Staatsbedienstete

Ja, und was macht man mit einem Kulturerbe, wo man nicht mal eben mit maschineller Hilfe die Vegetation in den Griff bekommt? Genau, man sucht sich vierbeinige Helfer aus.Dass die Schweden in so einem Fall sehr pfiffig und auch humorbegabt sind, haben sie schon auf der Insel Öland bewiesen. Es hat sich mittlerweile rumgesprochen, aber als die ersten Touristen der vierbeinigen Helfer ansichtig wurden, haben sie nicht schlecht gestaunt. War das tatsächlich eine Herde Kamele? Ja, in der Tat!

Und das kam so: Auf der Insel Öland waren Busch- und Baumwerk in die Höhe geschossen und schwer zu bändigen. Für Maschinen nicht zugänglich und die schwedische Tierwelt entweder zu klein, zu scheu oder zu nachlässig. Was tun? Elefanten haben zwar die richtige Größe, aber auch einen Riesenappetit (ein normaler Elefant hat einen Fraßradius von ein bis zwei Kilometern und die frisst er im Nu ratzekahl).So besann man sich der großen Wüstenschiffe aus dem Morgenland: Ein karges Auskommen von zu Hause gewohnt, sind sie anpassungsfähig und haben bei einer Schulterhöhe von 2,3 bis 2,5 Metern exakt die richtige Größe für aus den Fugen geratenes Busch- und Baumwerk. Und es gefällt ihnen richtig gut auf Öland. Der Tisch ist reichlich gedeckt und Wasser gibt es auch. Sie sind erstklassige Gärtner und werden je nach Bedarf auf Lastwagen geladen, um an anderen neuralgischen Vegetationspunkten als freie Mitarbeiter ihr Tagwerk zuverrichten.

Im Vordergrund sehen Sie den alten Treidelpfad heute Wander- und Radweg. Im Hintergrund dicht an den Zaun gedrängt ein Herde Kühe. Sie sind zwar „nur” freie Mitarbeiter am Göta Kanal aber eine lautstarke Begrüßung können sie genauso gut wie ihre staatlich bestallten Kollegen die Schafe.
Viel Mäh und Muh!

Auf dem Göta Kanal verhält es sich ähnlich, aber diesmal sind es staatlich Bedienstete und die nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Es sind weiße und auch viele schwarze Schafe, die das Göta Kanal Ufer beidseits auf Golfrasenniveau trimmen. Das mit den zehn Metern tangiert sie nicht, mit Zahlen haben sich nichts am Hut und den Wisch mit dem Kleingedruckten von der Regierung haben sie auch nicht kapiert. Aber sie können Begrüßung! Anders als ihre Verwandten in Irland, die stoisch vor sich hin grasen und denen Menschen und Touristen kalt am Schafspo vorbeigehen sind sie geradezu wild auf Menschen und auf historische Schiffe! Sie sammeln sich rechts und links dichtgedrängt am Ufer und blöken uns an was das Zeug hält. Wobei nicht ganz klar ist, ob sie uns Menschen meinen oder unseren schwimmenden Untersatz. Manches Blöken klingt eher etwas besorgt: Diana, wo warst Du so lange? Geht es Dir auch gut? Gute Weiterfahrt und komm bald wieder!

Die Kühe am Göta Kanal können ebenfalls Begrüßung das haben sie sich bei den Staatsbediensteten abgeschaut. Zwar nicht offiziell bestallt und ohne Auftrag stehen sie ebenfalls am Ufer muhen mindestens so laut wie ihre wollenen Kollegen.

An Deck ist Matrose Sofi derweil mit leichten Flickarbeiten (Fender) beschäftigt. Die markanten Holzfender stellt ein älterer Mann her und es ist immer genug an Ersatz an Bord. Der wird auch gebraucht: auf unserer Reise gehen sieben Stück drauf. An der romantischen Schleuse in Borensberg ist dann wieder Sofi’s Einsatz an Land gefragt; sie muss kurbeln. In Borensberg wird die Schleuse noch von Hand geöffnet und geschlossen. Dort passieren wir auch das gediegen-elegante falunrote Göta Hotell. Es wurde 1908 eröffnet und ist ein schöner Blickfang mit seiner großen weißen Holzterrasse.

So läuft die Zeit dahin und vor dem Abendessen passiert uns die schöne Wilhelm Tham. Da wird tüchtig gewunken.

Den Gesang der gläubigen Sängerfamilie Kindbom in Forsvik habe ich verpasst, deshalb hier nur der hübsche Blumenstrauß. Der kleine Chor ist seit Jahren eine feste Institution, nicht wegzudenken am Göta, allerdings mangelt es mittlerweile an Nachwuchs – der will nicht mehr so recht mitmachen.
Von nun an geht’s bergab auf dem Göta

Wir nähern uns dem letzten Teil des Göta Kanals und abends schlägt das Wetter um. Mindestens zehn Grad kälter, strömender Regen und recht viel Wind. Mich hält eine 24-Erkältungs-Attacke wie auch einige andere Passagiere in der Koje. Durch die offenen Kabinentür höre ich unsere Lady-Captain Annette leise fluchen: Sie versucht das Wasser von Deck abzuziehen und ärgert sich warum die Abflusslöcher kaum größer als ein zwei Euro-Stück sind.

Es gibt noch zwei handbetriebene Schleusen am Göta Kanal. Hier die in Tåtorp. Da wird noch von Hand gekurbelt und das bei jedem Wind und Wetter. Es regnet Bindfäden, aber der Schleusenwärter ist gut drauf und wird gleich das Schleusentor für unsere rüstige Diana aufdrehen.
Am Abend steht die süße Flora mit einem Teller Suppe und Brot mit Butter an meiner Koje und beschwört mich etwas zu essen. Es ist rührend wie sich alle an Bord um einen kümmern. Zwei Paracetamol von der lieben Kabinennachbarin Agneta helfen mir langsam wieder auf die Beine. Motala, die „Hauptstadt des Göta Kanals” und Wiege der schwedischen Industrie (1822) verschlafe ich sowie Vadstena, Karlsborg und die berühmten Sänger von Forsvik. Der schöne Blumenstrauß steht bis Göteborg auf der Frühstücksanrichte. Und ja, der religiösen Familie Kindbom gehen die Sänger aus; es fehlt an Nachwuchs. Und dann erzählt Amanda noch eine spannende Geschichte zu Motala und der MS Diana.

Die Tote im Göta Kanal

In den frühen 1960er Jahren verbrachten Maj Sjöwall und Per Wahlöö ihre Flitterwochen auf der MS Diana. Eine schöne Reise, wenn da nicht diese unglaublich attraktive Amerikanerin gewesen wäre, nach der Per ein wenig zu oft schielte. Und so schrieb sich die eifersüchtige Maj ihren Frust von der Seele und ließ die hübsche Amerikanerin in Gedanken sterben. Heraus kam ein vielbeachteter Kriminalroman (es folgten noch viele weitere aus der Feder vom Autorenduo Sjöwall und Wahlöö), der 1993 als erste Folge von Kommissar Beck verfilmt wurde. Das Buch steht in der Bordbibliothek und wird sogleich in Beschlag genommen. Amanda liest es in jedem April bevor sie auf Göta Kanal Tour geht – zur Einstimmung wie sie sagt. Sie verrät uns auch die Kabinennummer der Amerikanerin, aber die darf ich Ihnen nicht sagen. In der ersten Ausgabe wurde die echte Kabinen-Nummer genannt der nächste Verlag hat sie dann geändert. Es hat schon mal eine Stornierung gegeben auf einer Reise! Aber ich versichere Ihnen: die Kabine ist wirklich total harmlos; es ist noch nie etwas passiert.

Die Juno ist von 1874 und die älteste im Trio der Göta Kanal Flotte. Die Uroma ist seit 149! Jahren in Fahrt und genauso mopsfidel wir ihre jüngste Schwester. Es wird gewinkt, fotografiert und herzliche Grüße werden getauscht. Und Musik gibt es auch für uns: Diana, den alten Hit von Paul Anka.
Das Urgestein der Flotte, die Juno!

Am nächsten Morgen haben sich das Wetter und meine Erkältung wieder eingekriegt. Es ist zwar bewölkt aber deutlich wärmer. Um die Frühstückszeit ist auch die Besatzung sehr aufgeregt. Das Schwesterschiff Juno wird angekündigt und wird uns dieses Mal ganz nah auf dem Göta passieren. Und da kommt sie auch schon, die Uroma der Göta-Flotte! Mit leichter Schlagseite und bestens gelaunten Menschen an Bord. Die Besatzungen rufen sich schwedische Grüße zu. Und es heißt für alle: Taschentücher raus, ordentlich winken und natürlich fotografieren. Auf gleicher Höhe bekommen wir sogar ein Ständchen: Diana – der alte Hit von Paul Anka schallt zu uns herüber. Weiter geht es Richtung Sjötorp, wo der Göta Kanal endet (bzw. beginnt). Dort gibt es im Hafenmagazin das Café Baltzar und darüber das Kanalmuseum. Neben dem Café befindet sich ein kleiner Laden für Souvenirs. Trolle: Wieder nix, Fehlanzeige!

Der Visionär in Öl auf Leinwand. Die Epauletten und Orden hat sich Baltzar wirklich verdient, denn ohne ihn gäbe es ihn nicht, den Göta Kanal. Dessen Eröffnung 1832 hat er nicht mehr erlebt, aber das erste Dampfschiff der Linie Göteborg – Stockholm wurde nach im benannt „Admiral von Platen”.
Baltzars von Platens großer Traum

Ohne einen Baltzar von Platen gäbe es keinen Göta Kanal. 1766 auf Rügen geboren geht Baltzar bereits mit 13 Jahren auf die Kadettenschule nach Karlskrona und durchläuft eine erstklassige Marinekarriere an deren Ende er zum Kapitän und Oberstleutnant befördert und zum Ritter des Schwertordens benannt wird. So um 1800 verlässt er die Marine, gehört zum Staatsrat in Stockholm und wird ein geachteter Politiker. Die Nähe zum Königshaus ermöglicht es ihm seine Ämter zeitweise ruhen zu lassen und so wird er 1798 in das Direktorium vom Trollhättan-Kanal gewählt. Am Vänern kauft er das Landgut Frugarden und heiratet die aus Göteborg stammende Hedwig Ekmann. Der Trollhättan-Kanal lässt Baltzars Wunsch nach einer Kanalverbindung erwachen, die sich von Göteborg bis Stockholm erstrecken sollte. Strategische (800 Kilometer Umweg über die Ostsee!) und wirtschaftliche Gründe (die Dänen verlangten Zoll für das Befahren des Öresunds) überzeugen sowohl König Karl XIII und später auch Karl XIV Johann. Im Jahr 1810 erhält er die Genehmigung zum Bau des Göta Kanals sowie die Zusicherung dass das Militär die Arbeiten unterstützen werde.

Und mit Thomas Telford holt er sich einen genialen Mann ins Boot. Der Schotte aus armen Verhältnissen ist ein Autodidakt und wird zu einem der berühmtesten Ingenieure seiner Zeit; Spezialität Schleusen. Und die schottischen Schleusenbauer bringt er ebenfalls gleich mit zum Anlernen der schwedischen Kanalarbeiter. Und auf diesem fast 200 Jahre alten Wunderwerk fahren wir entlang – phantastisch! Anfänglich wurden die Schiffe von Menschenhand oder Pferdegespann getreidelt. Die Eröffnung des Östgöta erlebte der großartige Bauherr von Platen leider nicht mehr, aber das erste Linien-Dampfschiff (1834) Stockholm – Göteborg wurde nach ihm benannt: Admiral von Platen.

Über den Vänersee zum Schloss Läckö

In Sjötorp gibt es noch einen kleinen Zwischenfall. Unsere Diana befindet sich in der vorletzten Schleuse vom Göta Kanal. Wir können sie gut sehen, aber sie kommt und kommt nicht. Dann endlich, setzt sich unsere rüstige Lady in Bewegung. Die Schleusenwärter hatten sie versehentlich auf Grund gesetzt. Oh la la!

Wir passieren das letzte Lock auf dem Göta und nun geht es über den Vänersee, den größten schwedischen See der irgendwie mehr wie ein kleines Meer ist. Ein Meer mit tausenden Inseln, Schären und Felsen. Wir steuern Schloss Läckö an, was auf einer Halbinsel liegt und weit vor sich hin leuchtet.Einst eine Wehrfestung erhielt es unter dem Grafen Jakob De la Gardie im 17. Jahrhundert sein barockes Aussehen was bis heute erhalten ist. Der Graf mit den französischen Wurzeln heiratete die schwedische Gräfin Ebba Magnusdotter Brahe und bekam mit ihr viele Kinder. Das bekannteste von ihnen war Magnus Gabriel De la Gardie, ein Grande der die Kunst und die Pracht liebte. Er ließ die kleine Schlosskirche errichten mit großen Holzskulpturen in den Fensternischen. Es sind die zwölf Apostel und sie tragen jeweils die Waffe bei sich, mit der sie gemeuchelt wurden. Ganz schön heftig, aber eben auch schonungslose Realität aus dem Jahre 1668. Wem das zu gruselig ist, der erfreut sich an dem schönen Barockschloss und dem angrenzenden malerischen Garten.

Vänersborg und Captains-Dinner

In Vänersborg werden wir anlegen und übernachten. Es wird deutlich städtischer; viele und höhere Häuser. Das Captains-Dinner ist für diesen letzten Abend vorgesehen und wir machen uns fein. Auf der Kreidetafel steht „We will miss you” und das Herz wird schwer. Geht diese wunderbare Reise tatsächlich schon zu Ende?

Die Tische sind noch schöner gedeckt als zuvor. Jeder bekommt eine besondere Blume in seine Serviette (der Forsvik-Strauß ist irgendwie kleiner geworden, seltsam...). Kapitän Christoffer sitzt im schwedisch-englischen Bereich Amanda im deutschsprachigen. Lady Kapitän Annette steht am Ruder irgendwer muss ja die Diana steuern. Wir Passagiere bekommen jeder noch ein Zertifikat mit unserem Namen und das wir auf dem Göta Kanal gefahren sind. So eine Art Göta Kanal Taufe.Im Anschluss an das Captains-Dinner dürfen wir noch das kleine Reich von Eva und Jacob besichtigen. Es in der Tat recht beengt in den beiden Kombüsen. In zehn Kühlschränken wird Proviant gebunkert das für die sechstägige Fahrt benötigt wird. Der Herd ist immer warm und wenn die Gerichte auf den Tellern fertig zum Servieren sind schließt Eva alle Bullaugen damit das Essen heiß bleibt. Ein heißer Arbeitsplatz im wahrsten Sinne des Wortes hatten wir doch auf der ersten Hälfte der Reise immer so um die 26 bis 30 Grad Außentemperatur.

In der großen Trollhättan-Schleuse wirken die beiden Segelboote wie Spielzeuge. Das Tor öffnet sich und die Ausfahrt soll besonders für Segler ein rechter Eiertanz sein (Gegenstrom). Die Schleuse ist 88 Meter lang und 13,2 Meter breit, da wirkt auch unsere Diana ein wenig verloren.
Brinkebergskulle und Trollhättan

Nach Vänersborg erreichen wir die Schleuse Brinkebergskulle: sie ist die älteste aus dem Jahr 1752 und schon lange verwaist. Wir durchfahren die deutlich größere aus dem Jahr 1916. Sie ist 88 Meter lang und 13,2 Meter breit. Da hat unsere zierliche Diana sehr viel Platz und auf dem Weg zur Trollhättan sehen wir ein deutlich größeres Schiff voraus. Der Wasserweg wird breiter und auch für viel größere Schiffe befahrbar. Und wir nähern uns mit zügiger Fahrt dem Ende unserer Reise zu: Göteborg. Vorher geht es aber noch zu der spektakulären Vier-Treppen-Schikane in Trollhättan. Vor dem Schleusen steigen wir aus und besuchen das Kanal-Museum (von Trollen übrigens wieder keine Spur, obwohl der Name starke Hoffnungen geweckt hatte...).

Die erste Schleuse wurde zwischen 1793 und 1800 in den Fels gebaut. Anfänglich wurde mit Schwarzpulver gesprengt später mit Dynamit. Sie galt zu jener Zeit als achtes Weltwunder, wurde aber 1844 durch eine etwas größere ersetzt. Und auch die war dann wieder zu klein. Und so liegen die beiden Weltwunder dort recht pittoresk und man kann sehen, wie sich die Natur langsam ihr Territorium zurückerobert.

Die neue Schleuse aus dem Jahre 1916 hat es allerdings in sich. Sie übertrifft die beiden Weltwunder in Größe und Breite bei weitem. Von der Autobrücke aus gucken wir zwei Segelyachten beim Schleusen zu. Der Blick in die tiefe Schleusenkammer lässt die beiden Boote wie Spielzeuge wirken. Kein wirkliches Vergnügen für Segler, wie Almut kommentiert und am Schleusentor lässt man gerne den Vortritt bei der Ausfahrt. Das wird also spannend werden.

Wieder an Bord geht es mit unserer Seniorin in die erste Schleusenkammer. Das ist in der Tat ein anderer Schnack: Matrose Sofi ist an Land und wird entlang der Schleuse mit einer besonderen Laufleine gesichert. Noch ist sie in unserem Blickfeld, aber es geht stetig in die Tiefe und dann sehen wir nur noch die Kanalwände: rechts gemauert, links Naturstein. Jakob und Simon geben Tampen die Heck- und Bugtampen frei – jeweils über Walkie Talkie versteht sich. Ein eindrucksvolles Schauspiel.

Es ist Zeit für unser letztes Fika auf dem Brückendeck mit Kaffee und leckerem Kuchen. Das werden wir vermissen. Und auch die schöne Stimmung an Bord mit so vielen Gästen aus aller Welt. Eine ganz besondere Reise mit so vielen Eindrücken, vielen netten Menschen und vielen Erlebnissen geht langsam zu Ende.
Bye bye MS Diana!

Der Wasserweg wird breiter und an Land wird es immer städtischer, urbaner. Wir nähern uns mit Riesenschritten Göteborg, dem Ziel unserer sechstägigen Göta Kanal Tour. Ein letztes Fika – Kaffeetrinken mit dem herrlich frischgebackenen Kuchen. Die Koffer sind gepackt und stehen im Salon bereit um von der Besatzung an Land getragen zu werden. Und dann ist es soweit: Angelegt und Abschied nehmen.Die Besatzung und unsere Koffer stehen an Land Spalier. Die Crew wird über Mitsommer freihaben und sich über Schweden auf ihre Familien verteilen.

Ein letztes Abschiedsfoto, Händeschütteln, Umarmen, ein Tränchen im Knopfloch und da kommt auch schon mein Taxi. Der Fahrer stöhnt über meinen schweren Koffer und los geht es zum Kai der Stena Line. Ah, Kiel Germany, I love Germany redet er los und er könne auch einen deutschen Satz: Isch liebe Disch! Ach, ja??!! Doch, doch, das sei der wichtigste und entscheidende Satz für ihn. Na, denn...

Kiel, Germany, Stena Line wiederholt er gebetsmühlenartig auf den verbleibenden zehn Minuten Fahrt und schlängelt und drängelt sich geschickt durch den Feierabendverkehr. Göteborg scheint interessant zu sein, architektonisch schwer einzuordnen: irgendwas zwischen Gustav Vasa und Wandsbek Gartenstadt. Für viele junge Schweden ist es The Place To Be, schwer angesagt.

An Bord der Stena Germanica komme ich mir verloren vor. So viele Menschen, Autos und LKWs (da würde die grazile Diana zwanzigmal raufpassen). Auf dem Oberdeck werfe ich beim Auslaufen einen letzten Blick auf Göteborg. Viel Industriekultur, Containerschiffe, Fähren, viele schwimmende Oldtimer, Segler, Motoryachten, gut besetzte Restaurants – eine pulsierende Hafenstadt mit viel Flair.

Resümee: Nach 50 Brücken und über 58 Schleusen kann ich die Fahrt auf dem Göta wirklich empfehlen. Abwechslungsreich, kurvig, spektakulär, geschichtsträchtig, einmalig schön! Und der Diana und ihrer Crew wünsche ich allzeit gute Fahrt, mindestens eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und noch viele viele Fahrten auf dem Göta! Mehr Infos:https://www.gotacanal.se/de/

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