Zeitgenössische Darstellungen von Klaus Störtebeker und einer Hansebogge (Fotos: Dt Schifffahrtsmuseum, Kogge: Gemälde Hans Bohrdt)

Piraten!

Auf den Spuren Klaus Störtebekers

Wandernd auf dem schmalen Grat zwischen Recht und Unrecht, Moral und Gewalt wurde der Seeräuber Klaus Störtebeker mal als edler Robin Hood der Meere umjubelt, aber auch als Erzfeind der Hanse gejagt. So fließend wie das Ineinandergehen von Nord- und Ostsee ist auch der Übergang von Legende und Wahrheit um das Leben des Seeräubers Klaus Störtebeker.

Allein für seine Herkunft kommen mehr als ein Dutzend norddeutsche Orte in Betracht. Vor 600 Jahren tauchte er nachweislich im ostfriesischen Marienhafe auf.

Kurz vor seiner Enthauptung bat der Seeräuber Klaus Störtebeker den Henker um einen letzten Wunsch: Diejenigen seiner Kumpanen sollten verschont werden, an denen er kopflos noch vorbeilaufen könne. Und fast unglaublich, bei gut zehn Männern soll dies geglückt sein! Bis ihm der Henker in Anbetracht geringerer Entlohnung ein Bein gestellt haben soll. So endete die letzte spannende Geschichte um den großen Seeräuber. Als Klaus Störtebeker nachweislich zum ersten Mal in Erscheinung trat, geschah das 1391 als Vitalienbruder in einem bereits lodernden Kampf um Politik und Macht im Auftrag der Hanse. Der dänische König Waldemar war 1375 gestorben, ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen. Daraufhin entbrannte ein Erbfolgestreit, der zum Krieg um die Vorherrschaft über Schweden zwischen Königin Margarete von Dänemark und Herzog Albrecht von Mecklenburg führte. Als Albrecht in Gefangenschaft geriet und unversehens das mit der Hanse verbündete Stockholm belagert wurde, beschlossen die Mecklenburger den totalen Krieg und öffneten ihre Häfen für alle, die das Königreich Dänemark zu schädigen versprachen. Stockholm sollte unter anderem durch Gödeke Michels mit Lebensmitteln (Viktualien) versorgt werden, die vorher von anderen Schiffen zu erbeuten waren. An der Versorgung war auch Störtebeker als Unterführer von Gödeke Michels beteiligt. Zu dieser Zeit stellte der Städtebund Kaperbriefe aus und legalisierte somit die Seeräuberei, ließ andere für sich die Kämpfe ausfechten und hatte obendrein noch Anteil an der Beute. Billig kam man auch davon, denn mehr als Papier, auf dem das Recht zum Kapern verbrieft war, kostete die Angelegenheit nicht. Nach Kriegsende herrschten freilich andere Gesetze; Störtebeker bediente sich nun im eigenen Auftrag, und zwar bei den Koggen der Kaufleute, in deren Auftrag er zuvor seine Beute gemacht hatte. Die Hanse reagierte ungnädig: Es wurden „Friedensschiffe" zum Einsatz gebracht, in ihrer Funktion aber reine Kriegsschiffe, die den Piraten gefährlich zu Leibe rückten. Viele wurden geköpft, andere wurden eingesperrt und bei Wasser und Brot gehalten, bis sie starben. Die Vitalienbrüder mussten sich schleunigst nach anderen Jagdgründen umsehen und witterten in der Nordsee eine neue Chance für ihr einträgliches Gewerbe.

Auf zur Nordsee

Die buchtenreiche Landschaft mit ihren vielen kleinen Häfen und vorgelagerten Inseln bot geeignete Schlupfwinkel – und zudem gehörten die friesischen Städte nicht dem Bund der Hanse an. In einem kleinen Dorf namens Schaar, dem heutigen Wilhelmshaven, fanden sie Anfang 1396 Zuflucht bei einem der dortigen Häuptlinge. Die permanenten Fehden unter den Häuptlingen verschlangen viel Geld, das nun zu beschaffen war, in dem die von Piraten geraubten Waren aufgekauft und zu sehr hohen Preisen weiterveräußert wurden. Ein Kaufmann aus Danzig soll sogar gezwungen worden sein, sein eigenes Schiff zurückzukaufen. Bis zur vollen Bezahlung hatte er Geiseln zu stellen, die nach und nach ausgelöst wurden. Im ostfriesischen Marienhafe, das damals viel näher am Wasser lag, ließ Störtebeker einen Kanal graben – das Störtebeker-Tief, der es ihm ermöglichte, mit seinen Schiffen bis vor die Marienkirche zu segeln. Den damals 80 Meter hohen Kirchturm ließ er aufstocken, um ein Landzeichen zu haben, das er von See aus ansteuern konnte. Das Dach der Kirche ließ er zur besseren Orientierung auf der einen Seite mit Kupfer auf der anderen Seite mit Schiefer decken. Sah man beim Einfahren das Kupfer schimmern, drohte man auf dem Kooper Sand aufzulaufen; wenn der Schiefer zu erkennen war, musste man auf den Leysand achtgeben. Schiefer hieß früher Ley, und die Bucht trägt noch heute den Namen Leybucht.

Vorposten Helgoland

Bis zu 1.500 Seeräuber konnten die mittlerweile gleichrangigen Anführer Gödeke Michels und Klaus Störtebeker aufbieten. Sie nannten sich fortan Lieke-deeler (gleich Teiler), was beinhaltete, dass die Beute zu gleichen Teilen untereinander aufgeteilt wurde. Michels jagte auf Weser, Jade, und Ems Frachtschiffe, Störtebeker lag in der Elbmündung bei Neuwerk auf der Lauer. Helgoland war der Vorposten und die Lauerposition und bot den Piraten Schlupfwinkel, gute Liegeplätze, eine unterirdische Schatzkammer, Proviant, willige Mädchen und eine Operationsbasis für den Sommer. Kauffahrer nutzten das rote Kliff als Ansteuerung, mieden aber seine Nähe, weil die Felsen weit ins Meer reichten. Vor Helgoland wurde Störtebeker schließlich auch von den Hamburgern erwischt. Mit geschmolzenem Blei soll das Ruder seines Schiffes festgegossen worden sein, wo-mit es manövrierunfähig wurde. Ob er sich so leicht hat angeln lassen, ist fraglich. Trotzdem besiegte die Hamburger Flotte den zuvor lange Gejagten am 22. April 1401, 40 Piraten fielen im Kampf. Störtebeker wurde mit 71 seiner Spießgesellen am 21. Oktober desselben Jahres auf dem Hamburger Grasbrook enthauptet. Gesichert ist, dass Scharfrichter Rosenfeld zur großen Zufriedenheit der aufgelaufenen Menschenmenge höchst kunstfertig und oft (nämlich 72 Mal) das Schwert schwang. Nach getaner Arbeit stand er bereits knöcheltief im Blut, als er gefragt wurde, ob er denn gar nicht müde sei. Keineswegs, soll seine Antwort gelautet haben, er sei so frisch, dass er noch den ganzen Hamburger Rat enthaupten könne. Dieser unbedachte Ausspruch kam ihn teuer zu stehen – es kostete ihn den eigenen Kopf.

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