Küstenseeschwalbe im Abflug. (Foto: S. Conradt)

Vogelbeobachtungen an der Ostsee

Der frühe Vogel ...

Die drei Inseln Darß-Zingst, Rügen und Usedom bieten Vogelbeobachtern ausgezeichnete Möglichkeiten, Kraniche und Singvögel sowie die See- und Küstenvögel der Ostsee zu erleben. LAND & MEER gibt einen Überblick über die besten Beobachtungsplätze.

Als wir aufbrechen, ist es noch Nacht. Sterne funkeln am tiefschwarzen Himmel. Der Lichtkegel unserer Lampen verliert sich in der Fins­ternis. Von der Sundischen Wiese aus führt der Weg schnurgerade in den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, acht Kilometer auf der Halb­insel Zingst gen Osten. Gegen das erste schwache Morgengrau zeichnen sich die Umrisse der beiden Beobachtungshütten am Pramort ab. Wir legen Fernglas und Kamera bereit und wärmen uns mit einem heißen Tee. Auf einmal hören wir die typischen trompetenden Rufe von Kranichen. Sie erwachen! Je lauter die Kraniche werden, umso leiser werden wir. Und dann passiert es: der Dunst lichtet sich und gibt den Blick frei auf den größten hiesigen Schlafplatz der Vögel des Glücks. Vielleicht werden sie deshalb so genannt, weil sie – wie bei uns jetzt – ein unglaubliches Glücksgefühl auslösen können! Gleichzeitig geht die Sonne rot-orange leuchtend über den Nebelschleiern auf und taucht die ganze Landschaft in einen warmen Ton. Hunderte um hunderte Kraniche heben ab, finden sich zu ihrer charakteristischen Keilformation, kreisen über unserer Hütte und fliegen schließlich landeinwärts zu ihren Nahrungsflächen auf den Äckern.

Seeadler am Darß

Die Halbinsel Darß-Zingst bietet neben der Kranichbeobachtung noch einige weitere Highlights für Vogelfreunde. So ist der Besuch von Darßer Ort lohnend. Hier bilden die Strömungen aus angespültem Sand stetig neues Land. Die entstehenden Pionierlebensräume, unbewachsene Sandhaken, Dünen und flache Strandseen, locken Watvögel wie Austernfischer, Sandregenpfeifer, Säbelschnäbler und gelegentlich auch Alpenstrandläufer an. Vor der Küste in der offenen See schwimmen Eider- und Eisenten, seltener Trauer- und Samtenten, während über ihnen Seeschwalben das Meer nach Nahrung absuchen. Der majestätische Seeadler ist regelmäßig anzutreffen. Zu erreichen ist der Darßer Ort von Prerow aus (ca. 4 Kilometer), entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad, der Pferdekutsche oder der Darßbahn. Vor Ort befinden sich drei für die Beobachtung gut geeignete Aussichtstürme, ein Fernglas oder Spektiv ist empfehlenswert. Im Gehöft des 1848 erbauten Leuchtturms Darßer Ort informiert das Natureum, eine Außenstelle des Meeresmuseums Stralsund, über Tiere und Pflanzen der Region.

Der frühe Vogel ...
Die beiden Beobachtungshütten am Pramort auf Zingst. (Foto: S. Conradt)
Vogelinseln im Bodden

Im ruhigen Bodden südlich von Zingst liegen die beiden bedeutenden Vogelinseln Kirr und Barther Oie. Im wesentlichen sind sie von feuchten Salzwiesen überzogen, unterbrochen nur von wasserführenden Prielen und Tümpeln. Sie stellen einen idealen Le­bensraum für Enten, Watvögel, Möwen und Seeschwalben dar. So finden sich auf diesen Inseln mit die letzten Brutpaare vom Alpenstrandläufer und Kampfläufer in Deutschland ein. Austernfischer, Säbelschnäbler, Kiebitze, Uferschnepfen und Rotschenkel brüten in beachtlichen Zahlen. Sogar Mantel- und Heringsmöwe haben sich angesiedelt, und die scheue Brandseeschwalbe bildet hier die größte Kolonie unserer Ostseeküste.

Kranichbeobachtung

Beide Boddeninseln dürfen zum Schutz der Vogelwelt nicht betreten werden, sind aber vom Damm südlich des Ortes Zingst sichtbar. Von der Beobachtungshütte am westlichen Ortsrand bis zum Fähranleger Müggenburg bietet die rund fünf Kilometer lange Strecke immer wieder Sichtmöglichkeiten. Östlich von Zingst steht ein weiterer Beobachtungsstand. Ein Aussichtspunkt östlich von Bresewitz lässt einen Blick auf die Barther Oie zu. Die Kranichbeobachtungshütten sind von den Sundischen Wiesen am Ostende der Zingster Landstraße aus erreichbar. Der Zugang ist zwischen Mitte September und Mitte Oktober begrenzt, aber Fährschiffe laufen von Zingst, Born und Prerow aus die Kranichschlafplätze an.

Rügens Vogelwelt

Auf Rügen sollte der Weg des Ornithologen direkt nach Schaprode führen, um dort die Fähre nach Hiddensee zu besteigen. Ganz im Norden der Insel liegt der Neue Bessin, ein Sandhaken mit weiten Stränden, Dünen, Kiesflächen und kaum bewachsenen Strandwällen. Das offene Gelände stellt ein ideales Brutrevier für die seltene Zwergseeschwalbe dar, ebenso für Sandregenpfeifer, Säbelschnäbler, Brandgänse sowie Fluss- und Küstenseeschwalben. Zwar darf der Neue Bessin aus Schutzgründen nicht betreten werden, der parallel verlaufende Alte Bessin bietet aber mit dem Aussichtsturm an seinem südlichen Ende eine Möglichkeit, auf die Nachbarinsel zu schauen (Spektiv!). Der Weg von Kloster aus hat eine Länge von etwa sechs Kilometern.

Kolonien auf Usedom

Versteckt im Achterwasser von Usedom, im Peenestrom, aber auch auf dem Nordende der Insel liegen einige Vogelschutzgebiete, die riesige Kolonien von Lachmöwen, Kormoranen und Flussseeschwalben beherbergen. Diese Vögel lassen sich regelmäßig am gut 30 Kilometer langen Strand zwischen Ahlbeck und Peenemünde sehen, außerdem auch die extrem seltene, in Deutschland nicht mehr brütende Raubseeschwalbe. Von Usedom aus lohnt ein Ausflug per Schiff auf die vorgelagerte Insel Greifswalder Oie, dem „Helgoland der Ostsee". Mit ihrer unberührten Natur ist sie für Zugvögel ein Trittstein auf ihrem Weg in die Brutgebiete im Norden oder zurück zu ihren Winterquartieren im Süden. Der Verein Jordsand betreibt auf der Insel eine Vogelberingungs-Station, die im Rahmen einer Führung besucht werden kann. Die Greifswalder Oie ist von Peenemünde aus erreichbar.

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