Wissenschaftler des Thünen-Instituts haben einen Hundshai vor Helgoland mit einem Satelliten­sender ausgestattet, um seine bisher unbekannten Wanderwege in der Nordsee zu erforschen.

NORDSEEINSEL HELGOLAND

Haie vor Helgoland!

Seit mehr als fünf Jahren erforscht ein Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Seefischerei die Biologie einer unserer vier heimischen Hai-Arten. Bislang gab es eher anekdotische Informationen über die Lebensweise und Verbreitung der Hundshaie in der Nordsee. Dr. Matthias Schaber aber will es genau wissen.

Haie vor Helgoland!
Hundshaie können unter guten Bedingungen etwa 40 Jahre alt werden. Ihrer Erforschung widmet sich das Institut, auch weil der Bestand als stark gefährdet gilt. Die Sender messen Wassertiefe, Temperatur und Lichtintensität.
Einer, der in große Aufregung verfällt, wenn die Hundshaie kommen, ist Matthias Schaber. Der promovierte Fischereibiologe vom Thünen-Institut in Bremerhaven lässt dann alles stehen und liegen und nimmt das nächste Schiff zur Insel Helgoland. Vor rund fünf Jahren ist er auf den Hundshai gekommen, will dessen geheimnisvolles Verhalten erforschen. „Ich war verwundert, dass irgendwie niemand diese faszinierenden Tiere vor unserer Haustür so richtig auf dem Schirm hatte“, sagt der 47-jährige. Dabei ist die Art in der aktuellen Roten Liste der Meeresfische Deutschlands in ihrem Bestand als stark gefährdet eingestuft und auch weltweit fast vom Aussterben bedroht. „Hundshaie sind wie die meisten anderen Hai-Arten sehr anfällig für Überfischung“, so Schaber. „Sie werden spät geschlechtsreif, haben lange Tragzeiten und eine relativ geringe Nachkommenzahl. Obwohl es in der Nordsee keine gezielte Fischerei auf Hundshaie gibt, geht dennoch eine unbekannte Anzahl an Haien als zufälliger Beifang in die Netze.“ Unter natürlichen Bedingungen können die Tiere mehr als 40 Jahre alt werden. 

Haie vor Helgoland!
Dr. Matthias Schaber, Fischereibiologe in Bremerhaven.
Messdaten per Sender

Auf Helgoland steigt Schaber auf das kleine Boot von Michael Janke um. Der erfahrene Hochseeangler ist einer der letzten, die noch wissen, wie man Hundshaie fängt. Wetter und Gezeiten sind entscheidend, richtiger Ort und Köder ebenso. Während der Angelhaken in den Fluten treibt, macht der Forscher seine Ausrüstung klar und wartet. Endlich zeigt ein Ruck an der Angelrute an: sie waren erfolgreich! Mit geübten Handgriffen holen die beiden Männer den Haifisch an Bord und statten ihn dort mit einem modernen, mehrere tausend Euro teuren Sender aus, der kontinuierlich verschiedene Umweltparameter wie Wassertiefe, Temperatur und Lichtintensität messen wird. Nach rund einem Jahr löst er sich automatisch vom Hai ab, treibt an die Wasseroberfläche und versendet dann die Messdaten via Satellit. „Wir halten die Aufenthaltsdauer jedes Tieres auf dem Boot mit wenigen Minuten so kurz wie möglich, damit es sich rasch wieder erholt.

Haie vor Helgoland!
Stürmische See vor Helgoland: Wie wirken sich Umwelteinflüsse auf die Tierwelt aus?
Der Satellitensender, den wir an der Rückenflosse befestigen, ist leicht und hat einen geringen Wasserwiderstand, sodass er die recht großen Haie nicht beeinträchtigt“, erklärt Schaber. Seit 2018 hat der Meeresbiologe so insgesamt zwanzig Hundshaie besendert und bisher von elf Tieren die Datensätze erhalten. Fünf Haie sind noch mit ihren Geräten unterwegs, die restlichen Sender sind in den rauen Umweltbedingungen im Meer verlorengegangen oder haben nicht funktioniert. Die gewonnenen Messdaten aber offenbaren Erstaunliches: Wenn die Haie im Spätherbst Helgoland verlassen, begeben sie sich – mehr oder weniger geschlossen – auf eine Reise zum Ärmelkanal, wo die meisten verweilen und überwintern. Einzelne umrunden noch die französische Bretagne, schwimmen in die Biskaya oder gelangen entlang der Küste Portugals schließlich bis nach Gibraltar oder sogar Madeira. Dabei folgen sie nachts ihren Beutetieren und tauchen teilweise in große Tiefen von bis zu 500 Metern ab. „Englischer Kanal und Bretagne sind also von besonderer Bedeutung für die Hundshaie der Nordsee“, betont Schaber, „gleichzeitig ist Frankreich die Hauptfangnation dieser bedrohten Art.“ Im Nordostatlantik werden jährlich rund 450 Tonnen Hundshaie angelandet. Nicht zuletzt deswegen hat sich Schaber auf der UN-Artenschutzkonferenz vor zwei Jahren für ein international abgestimmtes Vorgehen zur Rettung dieser Fische eingesetzt. „Bislang gibt es aber keine wirksamen Fangbeschränkungen“, beklagt der Biologe. So wird Schaber seine Arbeit fortsetzen, wenn ihm die Forschungsgelder nicht ausgehen.
Haie vor Helgoland!
Nach Anbringen des Senders wird der Hundshai in die Nordsee entlassen. Einige schwimmen bis nach Gibraltar und tauchen bis zu 500 Meter tief.
Im nächsten Schritt will er eine Kooperation mit Kollegen aus den Niederlanden aufbauen, vor deren Küste die Hundshaie in Richtung Ärmelkanal ziehen. Eine Kette von Sensoren soll wie Streckenposten die vorbeischwimmenden Tiere und damit ihre Wanderbewegungen registrieren. Und außerdem bleibt noch das Rätsel ihrer Fortpflanzung zu lösen. Die Weibchen der Haie bringen ihren Nachwuchs vermutlich zwischen April und Juni zur Welt, „aber nicht bei Helgoland“, weiß Schaber inzwischen. Da die Jungfische sich vorzugsweise in flachen Schelfmeeren und Küstengewässern aufhalten, „könnte es sein, dass sie im Bereich der Wattenmeerinseln geboren werden und die Elterntiere bzw. Mütter sich anschließend nach Helgoland begeben, um sich dort in den nahrungsreichen Gewässern an Makrelen und frisch gehäuteten Taschenkrebsen satt zu fressen.“
Haie vor Helgoland!
Dr. Matthias Schaber vom Thünen-Institut besendert einen Hundshai. Die Augen des Tieres sind zur Beruhigung mit einem feuchten Tuch abgedeckt.
Das ist aber nicht mehr als eine unsichere Hypothese, betont der Forscher, der „seinen“ Haien unbedingt noch auf die Spur kommen will. 

Haie vor Helgoland!
In der deutschen Nordsee kommen vier Arten von Haien dauerhaft vor

1. Hundshai 

Wissenschaftlicher Name: Galeorhinus galeus

Größe: max. 200 cm

Nahrung: Fische und Tintenfische, auch Krebse

Verbreitung: Ostatlantik von Island bis Südafrika (außer in den Tropen), SW-Atlantik vor Brasilien und Argentinien, um Australien und Neuseeland, Ostpazifik

Vorkommen in deutscher Nordsee: Selten

Rote Liste (Deutschland): Stark gefährdet


2. Weißgefleckter Glatthai

Wissenschaftlicher Name: Mustelus asterias

Größe: max. 140 cm

Nahrung: Krabben und Krebse

Verbreitung: NO-Atlantik inkl. Nordsee, Mittelmeer

Vorkommen in deutscher Nordsee: Selten

Rote Liste (Deutschland): Daten unzureichend


3. Kleingefleckter Katzenhai

Wissenschaftlicher Name: Scyliorhinus canicula

Größe: max. 80 cm

Nahrung: Muscheln, Schnecken, Würmer, Krabben, 

kleine Fische und Tintenfische

Verbreitung: Küstengewässer des NO-Atlantiks inkl. Nordsee, Mittelmeer

Vorkommen in deutscher Nordsee: Sehr selten

Rote Liste (Deutschland): Ungefährdet


4. Dornhai

Wissenschaftlicher Name: Squalus acanthias

Größe: max. 120 cm

Nahrung: Fische (Hering, Makrele, Kabeljau, Sprotte, Sandaal), auch Krabben und Garnelen, Tintenfische, Rippenquallen

Verbreitung: NO-Atlantik von Nordnorwegen bis Marokko, Mittelmeer, Schwarzes Meer, SO-Atlantik vor Südafrika, SW-Atlantik vor Uruguay und Argentinien, NW-Atlantik von Kuba bis Grönland, um Australien und Neuseeland

Vorkommen in deutscher Nordsee: 

Extrem selten

Rote Liste (Deutschland): 

Vom Aussterben bedroht



Text: Sebastian Conradt

Fotos: Thünen-Institut/C.Howe H2Owe,A.Hartmann,U.Schaper

Fotos: Thünen-Institut/C.Howe H2Owe, B.Rauch


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