Bergung einer Yacht, die auf Grund gelaufen ist (Fotos: www.seenotretter.de)

Seenotretter 150 Jahre DGzRS

Sturmerprobt und herzensgut

Vor 150 Jahren wurde die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) gegründet – ein privates Seenotrettungswerk, das finanziell und personell Freiwilligkeit setzt. Von Sebastian Conradt

„Wir sind noch nie nicht rausgefahren", sagt Horst-Dieter Eder. Aus dem Mund des Vormanns von Rettungsboot „Hans Ingwersen" will dieser Satz etwas heißen! Seit 33 Jahren engagiert er sich ehrenamtlich auf der Station Travemünde der DGzRS. Heute gibt sich die Ostsee glatt und harmlos, aber sie kann auch anders. „Vor zwei Jahren sind wir im Herbst eine ganz Nacht lang bei Windstärke zehn bis elf draußen gewesen", erzählt Eder. Die Seenotleitung Bremen hatte ihn alarmiert, da sie den SOS-Notruf einer gekenterten Yacht aufgefangen hatte. Stunde um Stunde kämpften sich der Vormann und seine zwei Besatzungsmitglieder durch die tosende See, durchpflügten ihr Revier Meile für Meile. Erst am nächsten Morgen und mithilfe eines Helikopters wurden die beiden Sportschiffer gerettet. Sie hatten den Sturm auf dem Kiel ihres gekenterten Bootes abgewettert. So ging dieses Rettungsmanöver dennoch glücklich zu Ende.

Respekt vor dem Meer

Ohne Respekt vor dem Meer habe man bei dieser Aufgabe nichts verloren, meint der gut ausgebildete Seenotretter. „Ich bin in Cuxhaven aufgewachsen, da lag damals schon ein Seenotkreuzer." Nach 17 Jahren als Kapitän auf See hat es sich einfach ergeben, bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DgzRS) einzusteigen. „In der Regel sind wir innerhalb von zehn Minuten zum Auslaufen bereit", so Eder. Auch zwei Ärzte zählen zu seiner Mannschaft, die bei Bedarf mitfahren. Zwischen März und Oktober, wenn viele Fähren und Sportboote draußen sind, müssen die Retter zwei- bis dreimal pro Woche zu Einsatzfahrten raus auf die Ostsee. Dass auch Kinder in Seenot geraten können, hat Eder im letzten Jahr erfahren, als sich Tretboote bei ablandigem Wind immer weiter vom rettenden Strand entfernten. Mit einer Stärke von sechs Beaufort trieb der Südwest sie gefährlich nah an die große Schifffahrtsstraße. Zum Glück rief ein Segler die Seenotretter, die die Kinder nach kurzer Suche an Bord nahmen. Das sind wohl die Momente, die einen Seenotretter immer wieder dazu bringen, seine Zeit und sein Können, seine Erfahrung und manchmal auch sein Leben für andere einzusetzen – seit 150 Jahren.

Sturmerprobt und herzensgut
Früher mussten die schweren Ruderrettungsboote mit Pferden ins Wasser gebracht werden
Die Chronik der Seenotrettung

 1854 Bei der Strandung des Auswandererschiffs „Johanne" vor Spiekeroog ertrinken 84 Menschen in der tosenden See.

1860 Der Navigationslehrer Adolph Bermpohl und andere rufen zur Gründung eines privaten Seenotrettungswerkes auf.

1861 Aufbau des „Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger an der ostfriesischen Küste"; es folgen weitere regionale Initiativen in Bremen, Hamburg, Kiel, Lübeck, Rostock, Stralsund, Stettin und Danzig.

1865 Am 29. Mai wird die DGzRS als Zusammenschluss bisheriger Rettungsvereine in Kiel gegründet. Sitz der Gesellschaft wird Bremen. In offenen Ruderbooten gelangen die Seenotretter an die Unglücksstellen.

1875 Die berühmten Sammelschiffchen halten Einzug in die Flotte der DGzRS. Heute sind rund 15.000 dieser Spendendosen im Einsatz.

1890 Bei ihrem 25-jährigen Jubiläum verfügt die DGzRS über 90 Rettungsstationen entlang der deutschen Küsten, auf denen sich mehr als 11.000 freiwillige Rettungsmänner engagieren.

1911 Das erste motorisierte Rettungsboot wird in Betrieb genommen.

1939 Auch während des 2. Weltkriegs bleibt die DGzRS unabhängig, rettet Freund und Feind.

1949 In der DDR wird der Rettungsdienst staatlich organisiert. Der DGzRS gehen damit zahlreiche Rettungsstationen verloren.

1957 Die „Theodor Heuss" erhält als erster Seenotkreuzer ein Tochterboot, das huckepack mitgeführt wird.

1967 Der Seenotkreuzer „Adolpf Bermpohl" wird vor Helgoland von einer circa 15 Meter hohen Grundsee überrollt. Die vier Männer der Besatzung und drei zuvor gerettete niederländische Fischer kommen dabei ums Leben.

1990 Die Seenotrettung wird wiedervereinigt: Zunächst werden elf, heute 17 Stationen in Mecklenburg-Vorpommern betrieben, mit dabei, die erfahrenen und revierkundigen Rettungsmänner der ehemaligen DDR.

1995 In einer Orkannacht Anfang Januar wird der Seenotkreuzer „Alfried Krupp" vor Borkum von einer Grundsee erfasst. Zwei der vier Rettungsmänner bleiben auf See.

1999 Nach der Schließung von Norddeich Radio übernimmt die DGzRS die Rund-um-die-Uhr-Hörwache für Notrufe auf UKW-Seefunk. Über die Seenotleitung Bremen werden alle Einsätze koordiniert.

2014 Es gab 2200 Einsätze, 768 Menschen werden aus Seenot gerettet oder Gefahr befreit, 438 erkrankte oder verletzte Menschen werden von Seeschiffen, Inseln oder Halligen geholt, 64 Schiffe und Boote vor dem Totalverlust bewahrt.

–2015 Die DGzRS geht mit 54 Stationen an Nord- und Ostsee zwischen Borkum und Usedom, 60 Seenotrettungskreuzern und –booten sowie fast 1.000 Rettungsmännern und -frauen in das Jubiläumsjahr. Seit ihrer Gründung vor 150 Jahren konnte die Organisation mehr als 81.000 Menschen aus Seenot oder drohender Gefahr retten. Bei einem Jahresetat von 36 Mio. Euro lebt die DGzRS ausschließlich von Spenden.

www.seenotretter.de

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