Der Museumshafen aus der Luft: Schiffseigner zeigen hier ihre Schmuckstücke dem interessierten Publikum. Foto: Museumshafen Oevelgönne

Traditionsschiffe in Hamburg

Hamburg segelt

Traditionsschiffe in Fahrt – ein spannendes Kapitel Hamburger Geschichte liegt auf dem Wasser: kleine Fischerboote, kraftprotzende Schlepper, elegante Segler, historische Dampfer und Überseefrachter. Maritime Arbeitstiere, die einst das Bild der Elbe bestimmten. Diesen wertvollen Schatz zu bergen und zu bewahren, fachkundig zu restaurieren und in Fahrt zu halten, das haben sich begeisterte Shiplover, private Vereine und Gruppen, meistens ehrenamtlich tätig, zur Aufgabe gemacht. LAND & MEER zeigt, wo die alten Schiffe liegen und fahren. Von TILL F. BRAUN UND RENATE PREUSS

Museumshafen Oevelgönne

Jeder kennt den Museumshafen Oevelgönne und seine Flotte besterhaltener Schiffe aus der Hamburg Werbung, jeder verliebt sich in die Schiffe, die bei jedem Hafengeburtstag ein Höhepunkt der Paraden sind, ein jeder lässt sich entführen in Seefahrtsromantik vergangener Tage, die von diesen Schiffen ausgeht.

Es ist schon ein großer Kontrast: Drüben am südlichen Elbufer funktioniert Hamburgs hochmoderner Containerhafen im 24-Stunden-Takt – hier, geschützt hinter dem Fähranleger Neumühlen, dümpeln beschaulich die Prachtstücke des Museumshafen Oevelgönne, 1976 als erster deutscher Museumshafen in privater Trägerschaft gegründet. Zehn tipptopp renovierte Exemplare präsentiert der Verein heute im idyllischen ehemaligen Heuhafen, dazu gesellen sich bis zu 20 Schiffe in Privatbesitz.

Wer sich elbaufwärts kommend Neumühlen nähert, wird von einer signalroten Lady begrüßt, dem ehemaligen „Feuerschiff Elbe 3". Die mobile Dame mit Baujahr 1880 ist äußerst reiselustig und schippert gern – Gäste sind willkommen – durch den Nord-Ostsee-Kanal zur Kieler Woche oder bis hinauf nach Skandinavien. Einige Seemeilen mehr herumgekommen als Botschafter des Museumshafens ist die „Präsident Freiherr von Maltzahn", mit Baujahr 1928 einer der letzten Hochseekutter der Finkenwerder Fischereiflotte: als Teilnehmer der alljährlichen Flensburger „Rum-Regatta" bis hin zum weltgrößten Traditionsseglertreffen im französischen Brest. Jedes dieser Schiffe hat eine besondere Geschichte zu erzählen, so wie auch die mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Dampfschlepper „Tiger" und „Claus D.", denen der quirlige Nachbar Containerhafen einst den beruflichen Garaus machte. Fast: Denn heute sind „Tiger" und „Claus D." mit ihren leise zischenden Dampfmaschinen für staunende Gäste in ihrem Stammrevier, dem Hafen, quicklebendig unterwegs.

Der Museumshafen Oevelgönne hat es sich zur Aufgabe gemacht, typische Arbeitsschiffe der Nord- und Ostsee wie auch des Hamburger Hafens und der Niederelbe originalgetreu und ehrenamtlich in Fahrt zu halten. Den Besucher erwartet also nicht ein stilles Museum, sondern ein belebter Hafen, auf dessen Schiffen man sich gern für einen Moment in vergangenene Zeiten entführen lässt. Viele der ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeiter aus allen Gesellschaftsschichten sind einst als Besucher gekommen und als begeisterte Besatzung der Schiffe geblieben.

So spleißt der Hafenarbeiter in seiner Freizeit mit einer Ärztin neue Tampen, der Lehrer lernt vom Rechtsanwalt, wie man rostige Schiffe wieder im neuen Glanz erstrahlen lässt, der Schiffsingenieur und der Koch überholen einen alten Dieselmotor. Jeder Schiffsliebhaber findet eine Aufgabe im Mu­seumshafen. Und Mitmacher, ob männlich oder weiblich, sind immer willkommen.

Hamburg ist nicht nur ein bedeutender Warenumschlagplatz, dessen Entwicklung auch durch den Freihafen und die Speicherstadt mitbestimmt wurde, Hamburg wurde auch vom Wasser aus versorgt: Obst aus dem Alten Land, Gemüse aus Vierlanden, Baumaterial aus Lägerdorf in Schleswig-Holstein. Die Versorgung wurde mit segelnden Ewern sichergestellt, Flachbodenschiffe, die jeweils genau so groß waren, dass sie die entlegenen Orte in den Marschen vor den Stadttoren auf kleinen Flüssen und Kanälen erreichen konnten.

Heute haben einige dieser Ewer ihre Heimat im Museumshafen. Aber auch Hafenfahrzeuge, wie der für seine Zeit gewaltige Schwimmkran „HHLA I", die Polizeiboote „Ottenstreuer" und „Otto Lauffer", oder die Zollbarkasse „Präsident Schaefer" fahren tipp-topp gepflegt auf der Elbe. Und wer es gern so richtig rustikal mag, der fragt einfach mal nach einer Mitfahrt auf einem der drei alten Hamburger Festmacherboote. Sommer oder Winter, Sonne oder Eis auf der Elbe, die kleinen, wendigen Boote zeigen auch heute noch, welche Vielseitigkeit beim Dienst im Hafen sie leisten. Als gesellschaftliches Vereinszentrum wird die „Döns" genutzt, ein exakter Nachbau der Fähranleger-Wartehäuschen um 1900, ein handwerkliches Meisterstück mit seinen filigranen Holzarbeiten im Wilhelminischen Stil, die man auch für private Feiern mieten kann.

An der Außenkante des Neumühlener Fähranlegers hat ein wesentlich stabilerer Geselle seinen Platz ge­funden: der Dampfeisbrecher „Stettin". Vor einem schmählichen Ende der Verschrottung nach über 50 Jahren tapferer Einsätze rettete die „Stettin" ein engagierter Verein, der speziell zu diesem Zweck 1981 gegründet wurde. Zu Speis und Trank auf schwankenden Planken lädt die „Bergedorf", die, als Fährschiff für den Hamburger Hafen in den 50er Jahren gebaut, mit ihren Kollegen auf Jahrzehnte für regelmäßigen Personenverkehr im Hafen sorgte. Auch heute, als schwimmendes Café, ist sie absolut fahrtüchtig. Für die Zukunft plant der Museumshafen den Einsatz eines „Liegers", eines weiteren Pontons mit Gebäude, in dem dann eine Werkstatt, aber auch die bisher im Lager versteckten Ausstellungsstücke gezeigt werden. Als „konkrete Utopie" bezeichnen die Mitglieder ihr ehrgeiziges Projekt, das aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert werden soll und den Hafen auch für zukünftige Generationen attraktiv machen wird.

Und natürlich soll auch der Schiffsbestand erhalten und erweitert werden. Die nächste große Herausforderung ist die Restaurierung der ältesten Polizeidampfbarkasse der Welt, „Otto Lauffer", die zur Zeit eingemottet auf dem Werftgelände von Blohm + Voss steht.

Spender und Mitmacher sind also immer willkommen im Museumshafen Oevelgönne, in dem man ohne Eintrittsgeld in längst vergangene Zeiten eintaucht.

Es gilt schließlich, unwiderbringliche Zeitzeugen der Hafen- und Schifffahrtskultur für die Nachwelt in Fahrt zu halten: www.museumshafen-oevelgoenne.de.

Stiftung Hamburg Maritim

Eine ähnlich geschichtsträchtige Flotte ist im Sandtorhafen zu besichtigen: Hier inmitten der Hafencity, Hamburgs glasblitzendem Beispiel zeitgemäßer Architektur, die berühmte Baustelle der Elbphilharmonie im Blick, präsentiert die Stiftung Hamburg Maritim ihre Glanzstücke, auch dies eine gemeinnützige Stiftung privaten Rechts, 2001 auf Initiative der Handelskammer Hamburg gegründet. Die fahrende Flotte der Stiftung bildet ein buntes Kaleidos­kop maritimer Vergangenheit: 1907 gebaut, um Kaiser Wilhelm II standesgemäß durch den Hamburger Hafen zu schippern, wurde die „Schaarhörn" mit großem Luxus und der seinerzeit modernsten Technik ausgestattet. Offensichtlich kam es nie zu dieser kaiserlichen Hafenrundfahrt – die „Schaarhörn" wurde als Vermessungsschiff an der Elbmündung eingesetzt. Verlassen und verkommen wurde die eins­tige Eleganz in einem schottischen Hafen geborgen – heute glänzt und dampft sie wieder und unternimmt Gästefahrten auf Niederelbe und Ostsee.

Unter Segeln die Elbe erobern, das lässt sich mit dem Lotsenschoner „N° 5 ELBE", 1883 als einer von elf Zweimast-Gaffelschonern gebaut, die bis in die 20er Jahre ihren nicht ungefährlichen Dienst versahen. Die harte Arbeit auf segelnden Fischereifahrzeugen demonstriert der hölzerne Hochseekutter „Landrath Küster", mit Baujahr 1889 eines der letzten Fahrzeuge aus dieser Epoche. Die kolossale Flotte kleiner Frachtsegler, die bis ins 20. Jahrhundert hinein den Warenverkehr zwischen Hamburg und den niederelbischen Marschen abwickelte, repräsentiert der zweimastige Segler „Johanna". Bis zu 25 historische Schiffe können hier an der geschwungenen Pontonanlage mit ihren Pavillons, der „Flaniermeile auf dem Wasser", festmachen. Das größte Schiff der Stiftung, der Stückgutfrachter „MS Bleichen", liegt im Hansahafen neben Schuppen 50-52, im Hafenmuseum, an einer der letzten typischen Hafenanlagen aus der Kaiserzeit und ist ebenfalls im Besitz der Stiftung. Als Mu­seumsschiff, Baujahr 1958, präsentiert die „Bleichen" die Zeit des Stückgutumschlags zusammen mit Hafenbahn und Kaianlagen. Die Luke II, ein Laderaum des Schiffes, wird für private und öffentliche Veranstaltungen genutzt. www.stiftung-hamburg-maritim.de, www.hafenmuseum-hamburg.de.

Auf Alster und Elbe unterwegs

Zwei glanzvolle Beispiele Hamburgs maritimer Vergangenheit haben elbaufwärts hinter den Landungsbrücken festgemacht. Unübersehbar: die elegante Silhouette der „Cap San Diego", das letzte noch erhaltene Schiff einer Serie von schnellen Stückgutfrachtern, die 1961/62 für die Reederei Hamburg Süd gebaut wurden. Bis Anfang der 80er Jahre war der „weiße Schwan des Südatlantiks" meistens nach Südamerika unterwegs, außer der Fracht mit einer kleinen Schar anspruchsvoller Passagiere. Diesen Luxus können Hamburger Gäste heute wieder erleben: Als schwimmendes Hotel bietet die „Cap San Diego" geräumige Einzel- und Doppelkabinen, liebevoll restauriert im Originalentwurf der 60er Jahre und mit zeitgemäßem Komfort modernisiert. Das Bordbistro ist für Jedermann geöffnet, der noble Speisesaal mit Bar und das schicke Pooldeck stehen für Festlichkeiten zur Verfügung. Die schmucke „Rickmer Rickmers" wird auch als „schwimmendes Wahrzeichen Hamburgs" bezeichnet: Auf zahlreichen maritimen Veranstaltungen vertritt der elegante Großsegler mit Baujahr 1896 beeindruckend die Hansestadt an der Elbe. Wie sah das Seemannsleben an Bord eines Frachtseglers auf dem Weg nach Hongkong oder Südamerika aus? Die einfachen Mannschaftsräume und die überraschend luxuriösen Offiziersquartiere sowie eine ausführliche Dokumentation im Innern des Museumschiffs geben Auskunft über die spannende Geschichte der „Rickmer Rickmers". Das Bordrestaurant bietet typisch hanseatische Gerichte. Persönliche Post von der „Rickmer Rickmers" können Besucher an die Lieben daheim per Sonderstempel schicken: An Bord befindet sich eine offizielle Schiffspoststelle der Deutschen Post. Weitere Information: www.rickmer-rickmers.de, www.capsandiego.de.

Auch mitten in Hamburgs Innenstadt, auf der Alster, wird maritime Geschichte erlebbar: Das Museumsschiff „Aue", 1926 erbaut, war als typische Barkasse des öffentlichen Nahverkehrs bis 1989 unterwegs. 1960 wurde sie mit neuen Aufbauten modernisiert – heute können es sich die Passagiere im sorgfältig restaurierten Design jener Zeit gemütlich machen und das einzigartige Panorama des Alsterufers genießen. Ein besonderes Erlebnis ist die „Museumsfahrt": Auf Zeitreise durch romantische Kanäle bis nach Barmbek zum Museum der Arbeit: www.alstertourstik.de.

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